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Jahrespressebericht des Landessozialgerichts NRW für 2023Frage der "Angemessenheit" der Wohnkosten sorgt für viele Verfahren

Die Sozialgerichtsbarkeit in NRW ist für rund 18 Millionen Menschen zuständig. Welche Fälle vor den Sozialgerichten verhandelt werden und um welche Fragen, die uns alle betreffen können, es dort geht, darüber hat das Landessozialgericht in Essen jetzt in seiner Jahrespressekonferenz informiert.

Für den SoVD hat die Rechtsprechung des „LSG“ eine große Bedeutung, denn einige Verfahren, die der Verband für seine Mitglieder führt, enden erst dort. „Das LSG ist die Berufungsinstanz im Sozialrecht. Und in Berufung gehen unsere Mitglieder und die zuständigen Kostenträger vor allem dann, wenn es um beträchtliche Summen geht“, erklärt Jens Eschmann, Landesgeschäftsführer des SoVD NRW: „Das ist vor allem bei den Erwerbsminderungsrenten der Fall. Solche Verfahren machen bei uns in der Landesrechtsabteilung die Hauptarbeit aus“, so der Jurist weiter. Die Zusammenarbeit mit dem LSG sei im Übrigen erfreulich gut: Man merkt bei den vielen Richterinnen und Richtern, dass sie an sich selbst den Anspruch haben, die tatsächlich Sachlage so objektiv wie möglich, auch durch entsprechende Gutachten, zu klären, damit am Ende, auch wenn es manchmal lange dauert, ein dem konkreten Sachverhalt angemessenes Ergebnis steht“, so Eschmann weiter.

In der Tat geht es in knapp jedem fünften Verfahren beim Landessozialgericht um rentenrechtliche Verfahren. Mit fast 27 Prozent haben Streitigkeiten rund um das Thema Grundsicherung für Arbeitssuchende aber einen noch größeren Anteil an den Rechtsstreitigkeiten, die am LSG in Essen ausgefochten werden. Das liege auch daran, dass der Gesetzgeber bei den „Kosten der Unterkunft“ absichtlich einen Spielraum gelassen habe, sagt Dr. Jens Blüggel, der neue Präsident des Landessozialgerichts: „Beim Bürgergeldbezug ist die Angemessenheit der Wohnung bzw. der Kosten der Unterkunft immer noch ein klassischer Streitfall.“ Erst vor kurzem hat der SoVD NRW pressewirksam kritisiert, dass die gelebte Praxis von Kommune zu Kommune erheblich variiert und Bürgergeldempfänger in manchen Regionen bis zu einem Drittel ihrer Regelleistung zweckentfremden müssen, um die Wohnkosten vollständig abzudecken. * „Wir sehen, dass es schwierig ist, für den als angemessen gehaltenen Preis auch eine Wohnung zu finden. Je nach Region kann das sehr, sehr schwierig sein“, räumt Blüggel ein.  

Ihm und seiner Stellvertreterin Dr. Dörte Bergmann ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Menschen auch in einem zumutbaren Zeitraum zu ihrem Recht kommen und Klarheit haben. In rund 21 Prozent der Fälle konnten die Verfahren in weniger als einem halben Jahr abgeschlossen werden. Allerdings zieht sich immerhin jeder vierte Rechtsstreit am LSG über zwei Jahre und mehr. Das Gericht habe eine große Zahl an „Aktenbergen“ (Bestandsverfahren) abarbeiten können, da die Verfahrenseingänge gesunken seien, es gebe also eine insgesamt positive Entwicklung. Außerdem habe das Gericht mit allen Beteiligten dank erheblicher Anstrengungen die Corona-Zeit gemeistert und zudem „die größte Veränderung unserer Arbeitsprozesse in den letzten Jahrzehnten“ hinter sich bringen können, die Digitalisierung: „Wir ersetzen unsere Papierakten durch digitale Akten und kommunizieren elektronisch mit den Beteiligten. Alle Sozialgerichte sind inzwischen digitalisiert.“

Im Anschluss an die Pressekonferenz hat SoVD-Landespressesprecher Matthias Veit ein ausführliches Interview mit Dr. Jens Blüggel geführt. Dort erläutert der Gerichtspräsident unter anderem, welche Rolle Long-Covid-Erkrankungen bei der Verfahren spielen bzw. noch spielen werden, welche Erwartungen er an die Gestaltung der Kindergrundsicherung hat oder auch, wie er auf die Abschaffung der Fallpauschalen und den Krankenhaus-Reformprozess schaut. 

Der Jahrespressebericht des LSG ist HIER nachzulesen. 

*Mehr zum Thema Wohnkostenlücken und der SoVD-Kritik HIER.